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St. Josef-Monument

Sie stehen vor dem Monument des Heiligen Josef. Es ist eine Arbeit des bekannten Düsseldorfer Bildhauers Bert Gerresheim und wurde 1990 hier vor der Kirche St. Josef aufgestellt. Das Monument besteht aus zwei Teilen: einer Personengruppe und einem Bodenrelief.

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Die Personengruppe

Die Zentralfigur des Monuments ist der heilige Josef; er blickt schnurstracks zur ihm geweihten Kirche hin. Mit vielen figürlichen Elementen ist er hier als Patron der Arbeiter, besonders der Zimmerleute (nach biblischer Überlieferung war der heilige Josef ein Zimmermann), als Patron der Heimatsuchenden und als Patron eben seiner Kirche dargestellt. So trägt er eine Handwerkerschürze über dem priesterlichen Gewand, und bei ihm steht eine Hobelbank. Dort wiederum steht auf einem priesterlichen Schal (Stola) ein Modell seiner Kirche, das er soeben enthüllt; dabei auch zu sehen ist Handwerkszeug für Baumeister und Zimmerleute (Senklot, Greifzirkel, Meißel, Fuchsschwanz u.a.).

Mit den ihm zugeschriebenen Patronaten passt der heilige Josef ausgezeichnet zu Oberbilk als dem früh industriell und von Einwanderern geprägten Stadtteil Düsseldorfs.

Von Ihnen aus gesehen im Uhrzeigersinn linker Hand neben dem heiligen Josef steht Mutter Maria Katharina Kasper (1820–1898; 2018 heiliggesprochen). Sie gründete die Ordensgemeinschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi (Dernbacher Schwestern); in Oberbilk waren sie bis 1967 karitativ tätig. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts hatten sie sich dort besonders der Opfer des Krieges 1870/71 angenommen; dann galt ihre Pflege und Fürsorge den verarmten und verelendeten Industriearbeitern und ihren Familien, besonders den Kindern (anzuschauen auf der Bodentafel zu Füßen des Stahlarbeiters, links unten).

Repräsentativ für ihre karitative Arbeit legt Mutter Kasper ihren rechten Arm tröstend um einen abgerissen daherkommenden Wanderarbeiter. Er ist an den Lumpenschuhen, am Bettelsack und am Henkelmann (Blechbehälter für Essen) zu erkennen; Mutter Kasper gibt ihm einen Rosenkranz und einen kleinen Groschenbeutel mit auf den Weg.

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Links von diesen Beiden symbolisiert ein Menschenpaar Elend und Erbarmen. Es ist Pastor Johannes Lefarth, dem ein schwerst verletzt sterbender Mann aus den Armen gleitet. Pastor Lefarth war von 1926–1945 Pfarrer von St. Josef; er kam im März 1945 ums Leben, als er selbst noch unter Artilleriebeschuss verwundeten und sterbenden Bürgern in den Straßen seiner Gemeinde zur Hilfe eilte.

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Im Rücken dieser Gruppe steht aufrecht für sich ein junger Stahlarbeiter; man erkennt ihn am Schmiedehammer in seiner Hand, an den schweren Schutzstiefeln, an Schutzhelm und Schweißmaske (beim linken Bein) und am Eisengießer mit dem Zunftzeichen eben der Eisengießer darauf. Das überdimensionierte Zahnrad hinter seinem rechten Bein, an sich ein Zunftzeichen des Maschinenbaus, ist hier ein Symbol für die Eisen- und Stahlindustrie – es ist im Monument vielfach und in vielen Größen zu finden. Unter dem Helm des Arbeiters liegt ein massives Kettenrad, hinter ihm baumeln abgeschnittene Hände (ein für die Arbeit mit Ketten- und Antriebsrädern häufiger Arbeitsunfall).

Die Figur des jungen Arbeiters mutet schön und kraftvoll, aber auch befremdlich an: ein klaffender Schnitt im Gesicht, ein klaffender Einschnitt an der Herzseite, auf der entblößten Brust formen Schlüssel- und Brustbein ein Kreuz. Diese markante Zeichnung ist vieldeutig; so weist sie etwa schicksalhaft auf das schwere und gefährliche, aber auch fromme Leben der Stahlarbeiter in Oberbilk hin.

Das Bodenrelief

Das Bodenrelief zu Füßen der Personengruppe erzählt in 15 Tafeln aus der Geschichte Oberbilks von der Revolutionszeit 1848/49 bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts; es schildert besonders Kriegs- und Arbeiterelend, berichtet von politischen Auf- und Umbrüchen, stellt die Macht der Stahlindustrie aus und dokumentiert die Errichtung der Josefskirche und die Entwicklung der Pfarrei St. Josef.

Diese Geschichtserzählung in ihrer wimmelnden figürlichen Fülle nachzuzeichnen, erforderte ein Buch; hier werden acht lokalgeschichtlich besonders eindrucksvolle Bodentafeln knapp beschrieben. Mit dieser Beschreibung können Sie um das Monument herumspazieren, es studieren und für sich selbst entdecken – ein jeder kann aus dem Schulunterricht zur neueren deutschen Geschichte das ein oder andere markante Tafelelement gewiss erschließen.

Über die Revolutionszeit 1848/49, den Anfang der hier erzählten Geschichte, berichten drei Bodentafeln zu Füßen des Wanderarbeiters.

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Auf der ersten Tafel (oberes Bild) sieht man eine aufgeregt wogende, auf Barrikaden kämpfende Menschenmenge, darunter besonders Arbeiter und Handwerker. Man sieht Hände und Arme mit Gewehren und Hieb- und Stichwaffen; aufragend links (!) steht mit vorwärtsweisendem Arm Friedrich Engels (1820–1895), der große Streiter für eine freiheitliche deutsche Republik.

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Sein berühmter politischer Mitstreiter, Karl Marx (1818–1883), liest in der Tafel direkt darunter (mittleres Bild) Stahlarbeitern aus einem Dokument vor, vermutlich aus der berühmten, von Marx und Engels 1848 gemeinsam verfassten revolutionären Kampfschrift „Das Kommunistische Manifest“.

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Die auf dem Boden rechts oben anschließende dritte der Tafeln zur Revolutionszeit (unteres Bild) schildert deren fatalen Zusammenbruch und tödlichen Ausgang 1849: groß steht seitlich rechts der Tod als Landsknecht da. Über ihm als tragende Figur in der Gruppe der damaligen politischen Akteure (oben rechts) erkennt man Ferdinand Lassalle (1825-1864); er streckt seinen Arm aus nach den Revolutionären in Düsseldorf – er hatte sie unterstützt und die Düsseldorfer Bürgerwehr im Nov. 1848 dazu aufgerufen, sich zu bewaffnen.

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Die Errichtung der Kirche St. Josef schildert prägnant eine Bodentafel, auf die das übergroße Zahnrad zwischen dem jungen Stahlarbeiter und dem heiligen Josef geradewegs zurollt.

Am Rande dieser Tafel ist links die Grundsteinlegung (1870), rechts ist die Ankunft der beiden ersten Kirchenglocken dargestellt (bemerkenswert nebenbei: der deutsche Kaiser Wilhelm I. selbst hatte „allergnädiglichst“ geruht, eingeschmolzene Geschützbronze aus dem Krieg 1870/71 für den Guss dieser Glocken zu spenden). In der Mitte der Tafel sieht man die Kirche (noch ohne Helm) und ihre bischöfliche Weihe (1872). – Links und rechts der Kirche ragt im Hintergrund die weltliche Macht, ragen die mächtigen Hallen und Schlote der in Oberbilk gerade boomenden Eisen und Stahlindustrie auf. Sie sind im Bodenrelief vielfach anzutreffen.

Den Glocken der Kirche begegnet man noch einmal in der Tafel, die vom Wiederaufbau der Kirche und Pfarrei St. Josef nach 1945 berichtet – diese Tafel liegt sinnigerweise direkt unter der Tafel zum Untergang des Stadtteils 1945 (s. Text unten).

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Hier werden die beiden Kirchenglocken, die 1901 die alten Glocken ersetzt hatten, mit kindlicher Freude wieder begrüßt (linke Tafelseite) – man hatte sie 1949 wundersamerweise unversehrt aufgefunden, nachdem sie 1942 zwar für Kriegszwecke eingezogen, aber offenkundig doch nicht eingeschmolzen worden waren. Die Heimkehr dieser Glocken feiert die Kirchengemeinde in der Mitte der Tafel. Rechts davon sieht man den Bauwagen, der in der Wiederaufbauzeit als „rollende Kirche“ für die Außenbezirke der Pfarre gedient hatte. Im Tafelhintergrund, bei sauber aufgeschichteten Trümmern, stehen die Josefskirche (mit provisorischer Turmhaube) und die erhaltenen Gebäude der Stahlindustrie.

Die, wenn man so will, weltlichen Helden der Geschichte, die auf dem Bodenrelief des St. Josef-Monuments erzählt wird, sind zweifellos die Handwerker und die Stahlarbeiter Oberbilks. Von ihrem Schicksal berichten eindrucksvoll zwei Bodentafeln:

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Die erste Generation der Stahlarbeiter wanderte Mitte des 19. Jahrhunderts zuerst aus der seinerzeit schon hochindustrialisierten Wallonie (Belgien), hernach aus der Eifel ein, angeworben von den sich in Oberbilk niederlassenden belgischen (Jean Pasqual Piedboeuf) und deutschen (Albert Poensgen) Industrieunternehmern. Sie brauchten anfangs Facharbeiter, vor allem erfahrene Kessel- und Blechschmiede – hier (oberes Bild) ziehen sie, jeder ein ausgeprägtes, eben ein fachkundiges Individuum, in großer Menge aus dem alten Bilker Bahnhof gen Oberbilk und bringen ihr Wissen und ihr Können mit. Symbolisch dafür tragen und rollen sie ein großes Zahnrad, ihr Schicksalsrad sozusagen, auf die neue Heimat zu.

Nach dem Aufbau und mit dem Gedeihen der Eisen- und Stahlindustrie kamen die Fabrikherren mit an- und ungelernten Schwerarbeitern aus. Die wanderten vor allem aus den armen Eifeldörfern zu, waren abhängig von der industriellen Konjunktur, wurden miserabel entlohnt und verelendeten oft (s. oben den Text zu Mutter Maria Katharina Kasper).

Die elend schwere Arbeit in den Kesselschmieden Oberbilks (mindestens 12 Stunden am Tag bei Hitze und höllischem Lärm) veranschaulicht eine Tafel zu Füßen des jungen Arbeiters.

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Mühsam gebückt und wie darin gefangen, klopft ein Arbeiter einen Kessel aus; ein zweiter kniet auf diesem Kessel und nietet ihn, im Rücken einen Kessel wie eine schwere Last; neben ihm steht ein Arbeiter auf einem Kessel und holt mit schwerem Schmiedehammer aus.

Links von diesen Dreien stehen die Kirchen – hochragend dabei die evangelische Christus-Kirche an der Kruppstraße (noch mit Turmhaube) – nebst repräsentativen Pfarr- und Gemeindehäusern des Bezirks; rechts türmen sich die gewaltigen Fabrikanlagen der Eisen- und Stahlindustrie; auf dem Schlot beim Armschwung des stehenden Kesselschmiedes ist VKW eingraviert, d.h. Vereinigte Kesselwerke. Auch steht dort, ebenfalls mit aufragendem Turm, der Verwaltungspalast der Eisen- und Stahlindustrie (der sog. „Stahlhof“ in der Düsseldorfer Innenstadt).

Die Flankierung der drei Kesselschmiede von Kirchen und von Fabriken kennzeichnet, so kann man es lesen, das Leben der Stahlarbeiter in Oberbilk als Schicksalsspanne zwischen Glaube und Arbeitsmüh‘.

Das Katastrophenkapitel der auf dem Bodenrelief des St. Josef-Monuments aufgeblätterten Geschichte ist auf der Tafel zu Füßen von Pastor Lefarth nachzulesen, der herabhängende Arm des Sterbenden an seiner Seite weist direkt auf sie hin: April 1945 – das „Dritte Reich“ geht unter, Deutschland liegt in Trümmern, Oberbilk auch.

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Man sieht Tod und Zerstörung und Verderben, ausgebrannte Gebäude, zerborstene Geschütze, Bombenkrater, zerstückelte Menschen; ein Priester (Pastor Lefarth) beugt sich erbarmungsvoll herab (oben links), die Haube des Kirchturms liegt zerschmettert am Boden (seitlich rechts), die Kirchenglocken (links unten) bleiben hingegen verschont (sie wurden 1942 abgehängt, s. oben den Text zum Wiederaufbau der Gemeinde nach 1945) – wir sehen die dramatische Agonie des „Dritten Reiches“ in meisterlicher bildhauerischer Komposition.

In ihrer Mitte hält die Figur eines Gehängten den ganzen Wahnwitz der NS-Herrschaft im letzten schrecklichen Monat des Krieges fest: Es ist der jüdische Bürger Moritz Sommer, der in Oberbilk versteckt leben konnte, ganz zuletzt aber noch von einer Heeresstreife aufgegriffen, brutal misshandelt und, mit 72 Jahren, öffentlich gehängt wurde – am Lüftungsschacht des Luftschutzkellers unter dem Oberbilker Markt. Das war am 15. April 1945. Zwei Tage später hatten NS-Terror und Kriegsschrecken ein Ende, die Amerikaner ziehen jetzt als Befreier in Oberbilk ein.

Von dieser Tafel her gelesen ist das Monument, vor dem Sie stehen, auch ein leidenschaftlicher Appell für gesellschaftliche Gerechtigkeit und politischen Frieden.

Übrigens: wenn Sie sich hinunterbeugen, um die eine oder andere Bodentafel genauer zu studieren, verbeugen Sie sich automatisch vor der Gestalt, zu deren Füßen diese Tafel liegt; das ist eine Ehrerbietung.

Und wenn Sie sich die QR-Code-Tafel ganz genau ansehen, entdecken Sie in deren Mitte (leicht rechts unten) ein Kreuz! – ein überaus passender technischer Zufall.

Zuletzt noch: Bitte bewahren Sie die historische Würde und die materielle Schönheit dieses Monuments; verschmutzen Sie es nicht.

Die Messingtafel mit dem QR-Code auf dem Bodenrelief des Monuments stiftete Helmut Schillians. 
Text und Bilder © Gisela Miller-Kipp